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   Heiligenstadt (TT). Dem Nachtlager von Granada sah es beinahe ähnlich, als die vielen Pessimisten unter den Heiligenstädter Karnevalisten schon nach dem ersten Schunkelwalzer wie auf Kommando sich ihrer Mantel entledigten. Wer annahm, die hiesige Karnevalsgesellschaft könnte sich verausgaben, irrte kollossal. Die Veranstalter hatten auch diesmal nicht zuviel versprochen, als sie auf ihren Plakaten "Neue Überraschungen" ankündigten. Im Nu war, wie bei den beiden vorangegangenen Büttenabenden, wieder ein enger Kontakt mit dem Publikum hergestellt. Die Besucher machten mit. Im Singen haperte es zwar, das wurde aber beim Schunkeln ausgeglichen. Stimmung ward ganz groß geschrieben.     Eine Unverschämtheit erlaubte sich allerdings Karl-Hans Krüger, ein neuer Stern am karnevalistischen Himmel, Er brachte es fertig, erst die weiblichen, dann die männlichen Gäste getrennt singen zu lassen. Es sah ohnehin schon aus wie eine Frauenversammlung. Hilfesuchend sah ich mich um, als die Männer, an der Reihe waren, weit und breit war kein Geschlechtsgenosse zu sehen, und dazu noch heiser, (Meine armen Nachbarinnen!).     Die Büttenredner, unter den oft bewährten befanden sich einige, die sich Ihre ersten Sporen verdienten, starteten wiederum einen Generalangriff auf die Lachmuskeln. Da ich am zweiten Büttenabend wegen Zahn- und anderen Schmerzen zu Hause geblieben war, fehlen mir die rechten Vergleichsniöglichkeifen. Fest steht, daß dieser dritte Büttenabend bedeutend besser war als wie *) der erste, der auch nicht schlecht war. Wir freuen uns über diese Steigerung und knüpfen daran die Zuversicht, daß wir bis zum Fasching noch allerhand erwarten können. Am 2. Februar steigt bereits der nächste Büttenabend, an dem die Karnevalsprinzessin feierlich eingeführt wird. Sicher ist dann auch mit "allerneuesten Überraschungen" zu rechnen. Mit viel Witz und Geist waren die Büttenredner ans Werk gegangen. Auf alle traf das zu: auf den köllschen Sangesbruder Paulchen (Karl-Heinz Dörner), der mit seiner äußerst gewählten Ausdrucksweise sehr bestach, der sächsische Reisende (Karl-Hans Krüger) mit seiner zwerchfellerschütternden Komik, der randberlinernde Feuerwehrmann (Josef Bode) oder Onkel Jojo mit seinen Eichsfelder Schnurren, alle trugen zum Erfolg bei. Besonders gefiel auch noch Onkel Tobias, der in seinen Beiträgen allerhand Lokales brachte und damit unseren Stadtvätern manchen Fingerzeig gab zur Verschönerung der Stadt. Sein besonders vielseitiges Talent zeigte wieder einmal mehr Willi Döring, der sich bereits als Sänger, Komponist und nun auch noch als zerstreuter Dichter mit viel Erfolg vorstellte.     Auch einige neue Karnevalsschlager wurden wieder aus der Taufe gehoben. Alles in allem war es ein großer Erfolg, denn die Besucher kamen voll und ganz auf ihre Kosten. Anerkennung verdient auch die Dekoration.     Einige Anregungen möchte ich noch geben. Durch den reibungslosen Ablauf des Programms verging die Zeit wie im Fluge und mancher hat nicht gemerkt, daß fast 3 1/2 Stunden vergangen waren. Ist das nicht etwas zuviel? Wie immer wirkte lobenswerterweise das Kreiskulturorchester unter Leitung von Musikdirektor Philipp Liesenfeld mit, der sich so etwas nicht nehmen läßt. Wäre es nicht angebrachter, wenn anstelle des immer wiederkehrenden Motivs beim Einzug der Büttenredner auch mal eine bunte Melodienfolge eingeflochten würde. Dadurch wird die Gefahr einer gewissen Einförmigkeit vermieden, zumal wenn die Zahl der Büttenredner so hoch ist. Völlig deplaziert finde ich das Vortragen amerikanischer Songs (was haben die auf einer Karnevalsveranstaltung zu suchen) durch das durchaus befähigte jugendliche Schlagertrio. Vielleicht treten sie noch einmal mit heiteren Weisen auf. Das sind nur einige Bemerkungen. In diesem Sinne: Helau!           L. W. Eber *) Nicht Zutreffendes bitte streichen |
Thüringer Tageblatt, Februar 1958